Brisanter VSH-Haftungsfall aus der Praxis: Stellt ein Tarifupdate zu einem bestehenden Versicherungsvertrag einen Beratungsanlass dar?
Der Versicherungsmakler V hatte vor einigen Jahren eine private Haftpflichtversicherung an seinen Kunden K beim Versicherer R vermittelt. Im Jahr 2023 leiht sich K einen PKW aus und begeht einen folgenschweren Fehler beim Betanken des Fahrzeugs. Aufgrund des falschen Kraftstoffes kommt es zu einem Schaden an dem geliehenen PKW von insgesamt ca. 17.000 EUR.
K meldet den Schaden seiner Privathaftpflichtversicherung. R stellt fest, dass Haftpflichtansprüche aufgrund von Falschbetankungen bis zu einem Betrag von 2.500 EUR mitversichert sind und reguliert den Schaden mit dieser Summe.
K wendet sich nun an den Anwalt A mit der Bitte, diesen Vorgang zu prüfen. Schließlich will er nicht auf den verbleibenden 14.500 EUR sitzen bleiben. A stellt fest, dass der Versicherer in der Zwischenzeit die Versicherungsbedingungen (für Neuverträge) verbessert hat und dabei das Sublimit für Betankungsfehler auf 10.000 EUR angehoben hat. Er fordert daraufhin den Versicherer auf, den Differenzbetrag von 7.500 EUR an K auszuzahlen.
Der Versicherer antwortet daraufhin dem Anwalt:
„Wir stellen anheim, sich zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche an den Versicherungsmakler Ihres Mandanten zu wenden. Der Vertrag wurde durch die Vermittlung eines selbständigen Versicherungsmaklers bei uns abgeschlossen. Vertragspartner Ihres Mandanten ist der Makler. Da es sich um ein selbständiges Maklerbüro handelt, nicht jedoch um einen Versicherungsvertreter unseres Unternehmens, müssen wir uns dessen Verschulden nicht zurechnen lassen. Freundliche Grüße“
Wenig verwunderlich wendet sich A an den Versicherungsmakler und fordert diesen auf, 7.500 EUR an K zu zahlen. Er begründet dies damit, dass V angeblich nicht der ihm obliegenden Hinweispflicht auf einen besseren, neuen Tarif nachgekommen ist, so dass hier ein Verstoß gegen die ihm obliegende Beratungspflicht zu sehen sei. Er unterstreicht seine Auffassung zudem mit einem Urteil des OLG München aus dem Jahr 2015, wonach auf bessere, neuere Tarife hinzuweisen sei.
Diese Auffassung von A konnten wir nicht teilen. Die Einführung eines neuen Tarifes seitens des Versicherers verpflichtet unseres Erachtens nicht den eingebundenen Versicherungsmakler, den Versicherungsnehmer von diesem neuen Tarif unaufgefordert in Kenntnis zu setzen. Eine Verpflichtung entsteht allenfalls dann, wenn seitens des Versicherungsnehmers ein Anlass durch Nachfrage oder erkennbaren Beratungsbedarf gesetzt wurde.
Auch dies kann mit (aktuellerer) vergleichbarer Rechtsprechung untermauert werden. Sowohl das OLG Brandenburg (Urteil vom 11.01.2023) sowie das OLG Frankfurt/Main (Urteil vom 13.05.2022) haben die Rechtsauffassung geteilt, dass es eines Beratungsanlasses bedarf.
Ein Anlass, der eine Beratung erforderlich machen würde, wäre im Bereich der privaten Haftpflichtversicherung sicherlich eine Erweiterung des Risikos wie beispielsweise die Anschaffung eines Hundes oder einer Drohne oder vielleicht eine Tarifumstellung wegen Heirat oder Scheidung, wenn dies dem Makler zur Kenntnis gebracht wird. In keinster Weise aber war es für den Versicherungsmakler erkennbar, dass K einem erheblichen Betankungsrisiko unterliegen würde. Es war insofern auch schlichtweg nicht vorhersehbar oder naheliegend, dass es der höheren Absicherung eines Betankungsrisikos bedürfe. Insbesondere war auch nicht erkennbar, dass der Versicherungsnehmer einen erhöhten Versicherungsbedarf hinsichtlich dieses Betankungsrisikos hätte.
Kurzum: Allein die Veränderung eines Sublimits in den neueren Versicherungsbedingungen führt nach unserer Auffassung nicht zu einem aktiven Beratungsanlass gegenüber einem bereits im Premium-Tarif versicherten Kunden.
Die Brisanz dieses Falles liegt darin, dass eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung, welcher A nicht abgeneigt gegenüberstand, eventuell fatale Folgen für die Maklerschaft gehabt hätte. Ein Urteil zugunsten des Versicherungsmaklers wäre sicherlich hilfreich für alle Kolleginnen und Kollegen gewesen. Hätte jedoch der Anspruchsteller obsiegt, wäre damit der Maklerschaft bei zukünftigen ähnlichen Fällen kein Gefallen getan. Da die deutschen Gerichte bei Versicherungsstreitigkeiten grundsätzlich kundenfreundlich entscheiden, war das Risiko also nicht unerheblich, der Maklerschaft hier einen Bärendienst zu erweisen.
Vor diesem Hintergrund haben wir A eine fallabschließende Vergleichszahlung des Streitwerts von 50% (=3.750 EUR) angeboten. Nach Rücksprache mit seinem Mandanten hat A diesem Angebot zugestimmt.
Hinweis zur Haftungsvermeidung: In diesem speziellen Fall wäre der Schaden erst gar nicht entstanden, wenn die private Haftpflichtversicherung eine Update- bzw. Innovationsgarantie beinhaltet hätte. Dieser Baustein ist heutzutage eigentlich schon Standard in den Premiumtarifen vieler Versicherer und dieses Beispiel zeigt, wie wichtig dies sein kann.
Die Updategarantie ist übrigens auch Bestandteil unserer VSH-Tarife SAFE, COMPLETE und All Risk Michaelis Cover.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!